Beim Kunstliebhaber Kauth
38114 Braunschweig
Kurzbeschreibung
Im zweiten Stock des schmalen, aber langgestreckten Hauses Ratsbleiche 7 wohnte von 1920 bis 1923 ein Kunstliebhaber, der für Emmy Scheyer wichtig wurde – der Gerichtsassessor Urban Kauth. Wie viele andere sehnte er sich in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg nach einem Menschen, der versprach, die deutsche Gesellschaft von ihrem materialistischen Denken zu heilen. Im Oktober 1920 lernte er in Hannover einen Mann kennen, der die nötigen Gaben zu haben schien, den Arzt, Schriftsteller und Maler Reinhard Goering.
Reinhard Goering (1887–1936) war im Ersten Weltkrieg an Tuberkulose erkrankt. In der Schweiz, genauer: im Luftkurort Davos und in Ascona versuchte er zu gesunden. Gut möglich, dass Emmy Scheyer ihm in Ascona begegnete. Mit seinem Bühnenstück Die Seeschlacht in der Inszenierung von Max Reinhardt erzielte er einen großen Erfolg. 1920 war er aber völlig mittellos und Morphinist.
Da bot ihm Urban Kauth an, in seiner Wohnung an der Ratsbleiche zu wohnen. Weil er das Gefühl hatte, allzu bürgerlich-konventionell zu leben, war er bereit, sich von diesem berühmten Dichter und Heiler umerziehen zu lassen und vieles zu ertragen, was dieser ihm zumutete. Er nahm zum Beispiel in Kauf, dass seine Bücher eines Tages zum Fenster hinaus auf die Straße geworfen wurden und die Marmeladegläser gleich hinterher, weil sie spießig seien. Wenn er gelegentlich Widerstand leistete, drohte Goering, die Bilder an den Wänden mit Schüssen aus seiner Browning zu zerstören. Um dies und Schlimmeres zu verhindern gab Kauth nach. Er besitze „die besten Klees“, schrieb der Maler Rudolf Jahns einem Kollegen.
Als Kauth 1922 nach Berlin zog, seine Wohnung in Braunschweig aber beibehielt, nutzte Goering die Gelegenheit, ein Bild von Emil Nolde und zehn Zeichnungen von Paul Klee an sich zu nehmen und verschiedenen Kunsthändlern zum Kauf anzubieten. Kauth bemerkte den Diebstahl und rang sich zu einer Anzeige durch, weil er hoffte, Goering per Gerichtsbeschluss zu einer ärztlichen Behandlung bringen zu können. Braunschweiger Gutachter und das Gericht erkannten dessen Schizophrenie und Gemeingefährlichkeit. Kauth fand seine Bilder wieder, weil es kaum Käufer für diese Art von Kunst gab. Das ganze Drama wurde in Braunschweiger Tageszeitungen abgehandelt.
Als Urban Kauth in Berlin als Rechtsanwalt arbeitete, konnte Emmy Scheyer mehrere Bilder von Jawlensky bei ihm zwischenlagern. Der Maler dankte ihm für diese Art von Unterstützung und schenkte ihm ein Bild. Emmy Scheyer meldete Jawlensky: „Er weiß nicht, wie er es verdient. Ich aber finde, er verdient es, und ich hoffe, Sie auch.“ Sie kaufte ihm fünf Bilder von Paul Klee ab. Sie sind heute noch im Norton Simon Museum in Pasadena zu sehen.
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