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Ehemalige jüdische Landwirtschaftsschule
31226 Peine
Kurzbeschreibung
Das Seminar war eine Einrichtung der Simon'schen Stiftung, die sich der Vebreitung landwirtschaftlicher Berufe unter der jüdischen Bevölkerung widmete. Es bestand von 1913 bis 1928. Das inzwischen stark veränderte Gebäude ist ein Werk des bedeutenden Architekten Heinrich Tessenow.
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Das Kapitalvermögen war der Stiftung von dem 1905 in Hamburg verstorbenen Bankier Moritz Simon vererbt worden. 1907 nahm die Stiftung ihre Tätigkeit auf mit dem Ziel, den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde die ihnen traditionell verwehrten Wirtschaftsbereiche Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe zu erschließen. Zu dem Zweck sollten Lehrgänge abgehalten und entsprechende Berufsbildungsstätten eingerichtet werden.
Von der Simonstiftung selbst wurden über ihre Organisation, ihre Arbeiten und Intentionen verschiedene Schriften herausgegeben. Bereits in der Planungsphase der „Lehrer-Bildungsanstalt Peine“ erschien eine Ausgabe mit zahlreichen detaillierten Angaben zum hiesigen Betrieb. Darin heißt es u. a.: „In Peine (35 Minuten Bahnfahrt von der Stadt Hannover) auf einem […] günstig gelegenen Grundstück wird hoffentlich in Jahresfrist die Fortbildungsanstalt fertig gestellt sein.“ Derzeit „ist hier eine Anlage im Werden, die in ihrer Art nicht ihresgleichen hat. Von Gebäuden sind Lehrräume, Aufenthaltsgelegenheiten, Bibliothek, Werkstätten, Wohnungen für Beamte und Angestellte vorgesehen; alle dienlichen Wohlfahrtseinrichtungen sind vorhanden. Die eigentliche Anstalt ist eingebettet in botanische Anlagen, Musterschulgärten und eine große Obst- und Gemüseplantage."
Der Entwurf des – heute noch erhaltenen – Gebäudekomplexes stammt im Übrigen von dem namhaften Architekten Heinrich Tessenow.
Die Simonstiftung, wie man die Anlage kurz nannte, sollte „der Weiterbildung insbesondere israelitischer Lehrer in Arbeitskursen und allgemeinen Fortbildungskursen dienen.“ Vermittelt werden sollten Fertigkeiten zum „Unterricht im Schulgarten“ mit dem Schwerpunkt auf „praktische Schülerübungen, vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern“. An erster Stelle der Kursinhalte stand demzufolge „Gartenarbeit und Obstbau“. Aber auch die „Herstellung von Lehrmitteln“ und „angewandte Naturwissenschaften“ gehörten dazu.
Das Simon’sche Seminar richtete sich zwar besonders an jüdische Lehrer, war aber ausdrücklich für „Lehrer aller Konfessionen“ offen, die sich hier für den Unterricht im Gartenbau theoretisch und praktisch fortbilden konnten. „Infolge des Rückgangs der jüdischen Volksschulen wird heute nur mehr ein Bruchteil der jüdischen Jugend von jüdischen Lehrern unterrichtet. An dieser Gesamtlage der jüdischen Volksschulen können wir nichts ändern“, heißt es dazu in einer anderen Schrift des Simon’schen Seminars.
Geleitet wurde die Peiner Einrichtung von dem jüdischen Direktor Emil Alexander, als Ausbildungsexperte war mit Florian Stoffert aber ein nichtjüdischer Gartenbauinspektor und Gartenbaulehrer angestellt. Als ausgewiesener Fachmann für Züchtungs- und Düngungsfragen hatte er einen so guten Ruf, dass auf der Plantage wiederholt größere Fachtagungen stattfanden. Auch nachdem er 1934 seine Altersgrenze er- reichte hatte, war er noch bis zu seinem Tod am 4. August 1947 als überregional bekannter Gutachter und Sachverständiger für Gartenbau und Konservenindustrie aktiv.
Ebenso trat er als Autor zahlreicher Fachaufsätze und Publikationen in Erscheinung, etwa zum „Obst- und Gemüsegut der Neuzeit“ oder zum „Anbau von Konservengemüse“. (Einige der Veröffentlichungen können auch im Stadtarchiv eingesehen werden. Sie sind Teil eines 2011 von Prof. Gerhard Stoffert abgegebenen Schriftgut-Konvolutes zur Stiftung.)
Für die Simonstiftung selbst ging es nach dem Ersten Weltkrieg bergab: Die inflationäre Geldentwertung vernichtete das Stiftungsvermögen und die Zahl der Schüler ging mehr und mehr zurück, seit 1925 lohnte sich der Schulbetrieb nicht mehr. Bis 1927 wurde nur noch die Gärtnerei fortgeführt, dann verpachtet und im Jahr darauf der Betrieb gänzlich eingestellt. Nach 1933 nutzten die Nationalsozialisten die Gebäude für ihre Zwecke: Die SA-Obergruppenschule Peine wurde dort untergebracht und auf dem Gelände wurde ein Schießstand eingerichtet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sich dort verschiedene Firmen nieder, darunter die Obst- und Beerenweinkellerei Engelhardt & Söhne im Februar 1947 und von 1973 bis 1980 mit der Firma Bartels ein Holzverarbeitungsbetrieb.
1979 pachtete das Rote Kreuz einen Teil des Anwesens, das ehemalige Seminargebäude wechselte von der Bundesfinanzverwaltung in Privatbesitz und es wurden Mietwohnungen eingerichtet. Auch der Bauernhof wechselte den Besitzer.
Quellennachweis:
100 Jahre Simonstiftung Peine, Stadtarchiv Peine (zuletzt eingesehen am 03.11.2023)
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