Moses Mendelsohn
Kurzinformation
Kurzbiografie
Jugend
Moses Mendelssohns Vater Mendel Heymann war als Sofer sowie dessauischer Gemeindeschreiber und Primarschullehrer tätig. Über seine Herkunft ist nichts bekannt, außer dass er nach Dessau zugewandert war. Er war traditionell orientiert, so dass ihn sein Sohn später als „Mann aus der alten Welt“, der „seine besonderen Grillen habe“, bezeichnete. Die Mutter, Rachel Sara Wahl, stammte aus einer alten jüdischen Familie, zu der bedeutende Persönlichkeiten der polnisch-jüdischen Geschichte gehören wie Moses Isserles, der Verfasser eines wichtigen Gesetzeskommentars zum Schulchan Aruch, und Saul Wahl (ca. 1545–1617).
Als Moses geboren wurde, war der Vater bereits 47 Jahre alt. Trotz der bescheidenen Verhältnisse im Elternhaus wurde das Kind sorgfältig ausgebildet und früh als hochbegabt erkannt. Seine Muttersprache war das späte West-Jiddisch; Hebräisch und Aramäisch (die Sprache des Talmud) lernte er bereits als Kleinkind – mutmaßlich von seinem Vater, der später den Siebenjährigen im Winter „eingehüllt in seinen Mantel“ auf dem Rücken in die Schule trug. Seine dortigen Lehrer waren sichtlich begeistert von seinen Leistungen. Bereits als Zehnjähriger soll Moses im Talmudstudium hervorragende Kenntnisse besessen haben.
Um 1739 wechselte der junge Mendelssohn in die Klasse des Dessauer Oberrabbiners David Fränkel (1707–1762), eines einflussreichen Gelehrten, der nach fast 200 Jahren den Führer der Unschlüssigen, ein Hauptwerk des bedeutenden jüdischen Philosophen Maimonides (1138–1204), neu herausgab. Mendelssohn arbeitete das anspruchsvolle zweibändige hebräische Werk gleich nach dessen Erscheinen 1742 zusammen mit Fränkel, der ihn auch in den Talmud und seine Kommentare einführte, durch. In dieser Zeit – Mendelssohn war etwa dreizehn Jahre alt – machte sich die Krümmung seines Rückens bemerkbar. Außerdem neigte er zum Stottern.
Berliner Jahre
Als David Fränkel 1743 nach Frankfurt/Oder und gleich darauf als Oberrabbiner nach Berlin berufen wurde, folgte ihm sein 14-jähriger Schüler an die 1742 neu gegründete Talmudschule nach Berlin; der Sage nach in fünf Tagesmärschen zu Fuß. Er wohnte dort bis zum Jahr 1750 in der Probstgasse 3 (heute die Propststraße 3, 10178 Berlin) hinter der Nikolaikirche in der Dachkammer von Chaim und Gella Bamberger und erhielt, der Tradition entsprechend, zwei „Freitische“ beziehungsweise Gratismahlzeiten pro Woche und wurde zusätzlich von Rabbi Fränkel mit Abschreibaufträgen über Wasser gehalten.
Mit Hilfe älterer, weltlich gebildeter Schüler eignete sich Mendelssohn in diesen Jahren neben seinen Talmudstudien Deutsch und später Latein, Französisch und Englisch sowie weiteres weltliches Wissen an. Er zeigte früh eine Neigung zur Philosophie; den englischen Frühaufklärer John Locke studierte er zunächst auf Lateinisch mit Hilfe eines Wörterbuchs, außerdem Christian Wolff und den Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz. Auch Shaftesburys Denken sprach ihn an, während er den meisten französischen Aufklärern, bis auf Rousseau, eher mit Skepsis begegnete. Bald wurde er selbst zum Aufklärer.
Nach sieben Jahren als Bettelstudent wurde er im Jahr 1750 vom Seidenhändler Bernhard Isaak als Hauslehrer für dessen Kinder eingestellt. Er begann 1754 als Buchhalter in dessen neu gegründeter Seidenfabrik. Vermittelt durch Aaron Samuel Gumperz lernte er im selben Jahr, angeblich beim Schachspiel, den gleichaltrigen Pfarrerssohn und ehemaligen Theologie- und Medizinstudenten Gotthold Ephraim Lessing kennen, der ihn 1754 bei der Publikation eines anonymen Briefes als „eben so witzigen, als gelehrten und rechtschaffnen [Mann]“ bezeichnete. Ein Jahr später sorgte Lessing für die Publikation von Mendelssohns erster deutscher Schrift, den Philosophischen Gesprächen (ebenfalls anonym erschienen), und vermittelte ihm die Bekanntschaft von Friedrich Nicolai, der ihn als Mitarbeiter für seine einflussreiche Zeitschrift Briefe, die Neueste Litteratur betreffend gewann. Dadurch wurde Mendelssohn zu einem einflussreichen Kritiker der neu entstehenden deutschen Literatur. Mendelssohn ist dem Verein Gelehrtes Kaffeehaus, einem der ältesten geselligen bürgerlichen Vereine in Berlin, beigetreten, der in der Zeit von 1755 bis vermutlich 1759 existierte. Mitglied dieser Vereinigung war auch sein Verleger Friedrich Nicolai. Zwischen Februar 1756 und Januar oder Februar 1757 kam es in dieser Vereinigung an vier Versammlungstagen zu einem Schlagabtausch zwischen dem Mathematiker und Astronomen Franz Ulrich Theodor Aepinus und Mendelssohn. Mendelssohn hatte seine „Gedanken von der Wahrscheinlichkeit“ vorgetragen, zu denen Aepinus eine Widerlegung vortrug. Darauf reagierte Mendelssohn mit einer „Gegenantwort“. Mendelssohn soll auch dem Montagsclub in Berlin, einem Verein der Berliner Aufklärung, als Mitglied beigetreten sein. Im Mitgliederverzeichnis dieser Vereinigung ist er aber nicht aufgeführt. Mendelssohn war gläubiger Jude und hat auch an diesem Glauben festgehalten. Er ist zwar zu Treffen des Montagsclubs eingeladen worden, lehnte dies aber ab, weil er wegen der jüdischen Speisegesetze nicht an den obligatorischen Mahlzeiten teilnehmen mochte.
1761 wurde Mendelssohn Geschäftsführer in der Seidenfabrik und 1768, nach Bernhard Isaaks Tod, zudem Teilhaber.
Enge Kontakte hielt Moses Mendelssohn mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim, der in Halberstadt als Domsekretär lebte und junge Dichtertalente mit Geld und freundlicher Anteilnahme unterstützte. In Gleims 1769 in Berlin erschienenem Bändchen mit Oden widmete dieser ein Gedicht auch dem „Sokrates“ Mendelssohn. 1768 ließ Gleim für seinen Freundschaftstempel ein Porträt Mendelssohns anfertigen. Auf die Rückseite schrieb er wie immer, warum und von wem das Bild gemalt wurde: „Moses Mendelssohn, wegen seines Phädon, gemalt von Christian Bernhard Rode“. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde das Bild 1933 aus der Ausstellung entfernt. Sein Verbleib ist bis heute ungeklärt.
1770 wurde Mendelssohn von dem Schweizer Pfarrer Johann Caspar Lavater öffentlich aufgefordert, entweder in aller Form das Christentum zu widerlegen oder selber Christ zu werden, was zu einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Mendelssohn und Lavater führte. Diese erforderte infolge der heiklen Sachlage – die Juden lebten knapp geduldet in einer mehrheitlich christlichen Gesellschaft und Mendelssohn wurde als ihr Sprecher und Vertreter betrachtet – viel Takt, Geschick und Kraft. Er wurde in dieser Auseinandersetzung unter anderem von Johann Balthasar Kölbele öffentlich angegriffen.
1771 erlitt Mendelssohn, wahrscheinlich im Zusammenhang mit diesen Anstrengungen, einen psychophysischen Zusammenbruch, der ein zeitweiliges Aussetzen jeglicher philosophischen Tätigkeit erzwang. Die im selben Jahr vorgeschlagene Aufnahme Mendelssohns in die Preußische Akademie der Wissenschaften auf Antrag von Johann Georg Sulzer, dem Präsidenten der Philosophischen Klasse, scheiterte am Widerstand Friedrichs II.
1777 traf Mendelssohn mit dem jüdischen Gelehrten und Wissenschaftler Rafael Levi zusammen.
1783 bot die geheime Gesellschaft der Freunde der Aufklärung (Berliner Mittwochsgesellschaft) Mendelssohn die Mitgliedschaft an, die er aber ablehnte. Wenig später wurde er zum Ehrenmitglied berufen, das in der auf 24 Männer begrenzten Gesellschaft jederzeit Zutritt hatte. Diese Rolle füllte er engagiert aus. In der Debatte der Gesellschaft zu der Frage „Was ist Aufklärung?“ trat Mendelssohn in einem ersten Votum für uneingeschränkte Gedanken- und Redefreiheit ein. Die Grenzen der Aufklärung sollten nicht durch Gesetze und Zensurmaßnahmen, sondern vom einzelnen Aufklärer durch Aufrichtigkeit und Abwägung von Umständen und Zeit bestimmt werden. „Aufklärung hemmen, ist in aller Betrachtung und unter allen Umständen weit verderblicher, als die unzeitigste Aufklärung. (…) Das Übel, welches zufälligerweise aus der Aufklärung entstehn kann, ist außerdem von der Beschaffenheit, dass es in der Folge sich selbst hebt.“ In der Berlinischen Monatsschrift fasste er 1784 in dem Aufsatz „Über die Frage: was heißt aufklären?“ seine Haltung zur Aufklärung noch einmal zusammen: Die Bestimmung des Menschen[23] sei Maß und Ziel aller Bestrebungen. Bildung bestehe aus Kultur (Praxis wie Handwerk, Kunst und Sitten) und Aufklärung als Theorie, die miteinander dialektisch verschränkt seien.
Familie
Fromet Mendelssohn, geb. Guggenheim
1762 heiratete Mendelssohn Fromet Guggenheim (6. Oktober 1737 – 5. März 1812). Das Ehepaar bekam zehn Kinder, von denen sechs das Erwachsenenalter erreichten. Die Familiendynastie prägte Berlin über viele Generationen bis zu ihrer Vernichtung durch die Nazis. Zu Fromets Vorfahren gehörte der berühmte Wiener Hofbankier Samuel Oppenheimer (1630–1703).
Die überlebenden sechs Kinder waren:
Brendel (Dorothea Friederike) (Mutter der Maler Jonas und Philipp Veit, Ehefrau von Friedrich Schlegel), Literaturkritikerin und Schriftstellerin
Recha Meyer, geborene Mendelssohn
Joseph Mendelssohn, Gründer des Bankhauses Mendelssohn
Henriette (Maria) Mendelssohn
Abraham Mendelssohn Bartholdy (Vater der Komponistin Fanny Hensel und ihres Bruders, des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy)
Nathan Mendelssohn
Mit Ausnahme von Recha Meyer und Joseph Mendelssohn ließen sich alle Kinder Moses Mendelssohns in ihrem späteren Leben christlich taufen.
Das Grab von Fromet Mendelssohn befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg-Altona.
Quellennachweis:
Wikipedia Moses Mendelssohn (zuletzt eingesehen am 04.12.2023)
C. Schulte, „Von Moses bis Moses ... Der jüdische Mendelssohn : Studien“. Wehrhahn Verlag, Hannover, 2020. GBV
Rezeption
Mendelssohn wurde in der liberalen Ära in Westeuropa sowohl vom Reformjudentum als auch dem orthodoxen Judentum als Vorbild in Anspruch genommen. Er diente auch als Wegweiser für den Kampf um Emanzipation. Im 19. Jahrhundert galt Mendelsohn als einer der am häufigsten abgebildeten Persönlichkeiten deutsch-jüdischer Herkunft.
In Osteuropa war er umstritten. Die bildungsfeindlichen Orthodoxen sahen in ihm den Verführer zum Abfall vom jüdischen Glauben und der traditionellen Lebensführung. Die Aufgeklärten dagegen verehrten in ihm den Vorkämpfer für ihre erzieherischen und sozialen Ziele. Mit dem Aufkommen der jüdisch-nationalen Bewegung wurde Mendelssohn als Anbahner der Assimilation kritisiert. So gab der jüdische Publizist Peretz Smolensk in einer Artikelserie der in Wien erscheinenden hebräischen Zeitschrift Hashahar Mendelssohn die Schuld, die Entnationalisierung des Judentums verursacht oder zumindest eingeleitet zu haben.
Ehrungen
Denkmale (Auswahl)
Büste im Dessauer Stadtpark
Dessau ehrte seinen Sohn 1890 mit einem großen Brunnendenkmal in den Bahnhofsanlagen. Es wurde vom Bildhauer Heinz Hoffmeister und dem Architekten Heinrich Stöckhardt geschaffen. Fließendes Wasser als Symbol des Lebens umströmte die Büste. Das Denkmal wurde 1933 von den Nazis auf den israelitischen Friedhof an der Leipziger Straße verbannt und während der Novemberpogrome 1938 zerstört. Am 6. September 1979 wurde eine neue Büste im Stadtpark enthüllt, die vom Hallenser Bildhauer Gerhard Geyer geschaffen wurde.
Der Bildhauer Rudolf Marcuse schuf in Berlin ein Büstendenkmal des Philosophen, das 1909 vor dem Schulhaus Große Hamburger Straße 27 feierlich enthüllt wurde.
In der Nähe des Berliner Wohnhauses von Moses Mendelssohn in der Spandauer Straße 68, wo sich heute der Park am Fernsehturm befindet, wurde 2016 ein Denkmal des israelischen Künstlers Micha Ullman enthüllt.
Benennung eines Platzes in Berlin
2013 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg die Benennung eines neuen Stadtplatzes in Berlin-Kreuzberg an der Lindenstraße nach Fromet und Moses Mendelssohn. Es kam zu dieser Benennung, da es einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg gibt, der zur Herstellung vollständiger Gleichheit zwischen Männer- und Frauennamen in der Anzahl benannter Plätze und Straßen führen soll.
Nach Mendelssohn benannte Auszeichnungen
1980 stiftete der Berliner Senat den Moses-Mendelssohn-Preis, welcher seitdem alle zwei Jahre vergeben wird.
Seit 1993 verleiht das Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum die „Moses-Mendelssohn-Medaille“. Mit der Verleihung würdigt das Zentrum Persönlichkeiten, die sich für Toleranz und Völkerverständigung sowie für eine Verbesserung der deutsch-jüdischen Beziehungen engagieren.
Am 23. Februar 2013 wurde in Dessau zum ersten Mal der „Moses-Mendelssohn-Preis zur Förderung der Geisteswissenschaften“ der Stadt Dessau-Roßlau an die in Stanford (Kalifornien) lehrende Philosophin Anne Pollok verliehen
Vertonungen
Von Andreas Romberg nach den Psalmübersetzungen:
Psalmodie, sieben Psalmen op. 65 (22. Werk der Gesangsstücke), SteR 344-350 (1817–1820), Offenbach 1821
Choral Nr. 1 „Unsre Seele harret auf den Herrn“, Psalm 33, SteR 351 (1821)
Choral Nr. 2 „Wende dich, o Herr, zu mir!“, Psalm 33, SteR 352 (1821)
Choral Nr. 3 „Königreiche der Erde“, Psalm 68, SteR 353 (1821)
Quellennachweis:
Wikipedia Moses Mendelsohn (zuletzt eingesehen am 04.12.2023)
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