Ilse Losa
Kurzinformation
Kurzbiografie
Ilse Losa, 1913 in Buer als Ilse Lieblich geboren, wächst zunächst bei den Großeltern auf und wird durch sie in das jüdische Leben auf dem Land eingeführt. Mit sechs Jahren kommt sie zu den Eltern und den beiden jüngeren Brüdern ins acht Kilometer entfernte Melle. Dort wird sie eingeschult. Nach der Mittelschule wechselt sie auf das Lyzeum in Osnabrück. In Melle gibt es kein Gymnasium und für Mädchen keine Möglichkeit das Abitur zu machen. Das Lyzeum in Osnabrück ist damals eine neunjährige höhere Mädchenschule mit Abiturabschluss, also ein Gymnasium wie wir es heute noch kennen. Auf dem Lyzeum lernt sie auch einige jüdische Mitschülerinnen kennen. Sie entwickelt ein feines Gespür für antijüdische Haltungen, die die christlichen Mitschülerinnen oft gar nicht wahrnehmen.
Als die Familie 1928 nach Hildesheim umzieht, besucht sie die dortige Goethe-Schule. Nach dem Tod des Vaters 1930 muss sie die Schule aus finanziellen Gründen vorzeitig abbrechen. 1931 geht sie für ein Jahr als Au-pair-Mädchen nach England. Wieder zurück in Deutschland arbeitet sie in Hannover im Krankenhaus, bis sie wie alle jüdischen Mitarbeiter:innen nach dem 30. Januar 1933 entlassen wird. Sie wechselt nach Berlin in ein Versicherungsbüro. Wegen eines hitlerkritischen Briefs wird sie von der Gestapo vorgeladen und stundenlang verhört. Danach entscheidet sich Ilse Lieblich zur sofortigen Flucht. Am 10. März 1934 begibt sie sich in Hamburg auf ein Schiff nach Porto, wohin ihr Bruder Ernst (*1914) bereits emigriert ist. Im Juni 1934 folgt auch ihr zweiter Bruder Fritz (*1916) den beiden Geschwistern nach Porto ins Exil.
Dort kommt Ilse Lieblich in eine fremde Welt. Sie lernt schnell, dass sie in Portugal wieder in einer faschistischen Diktatur gelandet ist, in der besonders die Frauen in ihren Rechten stark eingeschränkt sind. Durch ihren Bruder findet die junge Frau Anschluss an oppositionelle Kulturschaffende, darunter ihr späterer Mann, der Architekt Arménio Losa. 1935 heiraten die beiden, Ilse Losa erhält die portugiesische Staatsbürgerschaft. 1938 wird die Tochter Alexandra, 1943 die Tochter Margarida geboren.
Ilse Losa, die sich in Porto – ohne je einer Partei anzugehören – politisch engagiert, steht bald ebenso wie ihr Mann unter Beobachtung der geheimen Staatspolizei. Trotz der staatlichen Überwachung nutzen die Losas die vorhandenen Spielräume: Sie unterstützen Geflüchtete aus Deutschland. Ilse engagiert sich in der Organisation portugiesischer Frauen für den Frieden (AFPP), die u.a. Pakete nach Deutschland in die KZs schickt.
Nach über zehn Jahren in Porto beginnt sie zu schreiben – auf Anraten von Freunden und ihrem Mann auf Portugiesisch. In ihrem Exilland wird Ilse Losa zu einer bekannten Schriftstellerin. Ihr vielgestaltiges Werk ist Spiegel einer außergewöhnlichen Produktivität. Es umfasst Romane, Prosagedichte, Erzählungen, Essays, einen pädagogischen Ratgeber für Eltern und über zwanzig Bücher und Theaterstücke für Kinder. Ihr Erstlingswerk O Mundo em que Vivi aus dem Jahr 1949 gehört in Portugal bis heute zum empfohlenen Lesestoff für Schulen.
In Deutschland dauert es über 40 Jahre, bis zu Beginn der 1990er Jahre ihr erster autobiografisch gefärbter Roman über ihre Kindheit in Melle unter dem Titel "Die Welt in der ich lebte" übersetzt und veröffentlicht wird. Es folgen rasch ein weiterer Roman und ein Band mit Erzählungen. Ilse Losa wird nun auch hier als Autorin bekannter, hält Vorträge und gibt Interviews. 1991 erhält sie das Bundesverdienstkreuz. Doch dann schwindet das öffentliche Interesse wieder.
Ihr Leben lang ist Ilse Losa ein politischer Mensch. Schon als Kind hat sie die wachsende Ausgrenzung gespürt – die eigene Familie war betroffen und neben Juden auch Katholiken, Arme und Behinderte. Die schmerzhafte Erfahrung, rassistisch verfolgt und sozial benachteiligt zu werden, ist immer wieder Thema ihrer literarischen Figuren. Die drei Themenkomplexe Ausgrenzung/Flucht/Vertreibung, Schutz der Natur und Frauenrechte bestimmen ihre literarische Arbeit, dies gilt auch für viele ihrer Kindergeschichten. 2006 stirbt Ilse Losa in Porto.
Seit 2013 trägt die Zuwegung zum Jüdischen Friedhof in Buer offiziell den Namen „Ilse-Losa-Weg".
Am 10. März 2024, genau 90 Jahre nach ihrer Flucht, wurde in Melle der 50. frauenORT Niedersachsen eingeweiht. Im Verlauf der Route eines biografisch-literarischen Radwegs zwischen Melle und Buer entstehen sechs Stationen mit zum Standort passenden biografischen und historischen Informationen sowie Audiomaterial mit Auszügen aus Ilse Losas literarischem Werk.
Die Radwegestation DER GUTE ORT ist der jüdische Friedhof in Melle-Buer. Dort findet man die Gräber von Ilse Losas Großeltern Fanny und Josef Lieblich, von ihrem Vater Arthur Lieblich sowie ihrem Lieblingsonkel Julius Lieblich. Ilse Losa selbst ist in Porto in einem Rosengarten anonym bestattet.
Quelle: Landesfrauenrat Niedersachsen e.V., frauenORTE Niedersachsen
Quellennachweis:
Melle: Straßenschild erinnert an bedeutende jüdische Schriftstellerin (zuletzt eingesehen am 25.04.2024)
Familie und Netzwerk
Lebensstationen
Lektüre
Administrative Angaben
Karte
Fehlt etwas? Helfen Sie mit!
Das Onlineportal wächst stetig weiter.
Unterstützen Sie uns dabei, diese Leerstelle zu füllen oder Fehler zu korrigieren.
Ihre Daten werden sicher durch ein SSL-Zertifikat übertragen. Sollten Sie weitere Fragen zum Datenschutz haben, klicken sie bitte hier: Informationen zum Datenschutz