Leopold Scheyer
Kurzinformation
Die Gördelingerstraße wurde schon im 13. Jahrhundert in Plänen der Stadt Braunschweig eingezeichnet. Sie lag im Bereich der Handelsmesse, die zweimal im Jahr stattfand. Im Lauf der Jahrhunderte siedelten sich kleine Läden und große Kaufhäuser an, Hotels, Gaststätten und andere Etablissements. Eine Filiale der Landespost kümmerte sich um Briefe und Pakete, Banken erledigten Geldgeschäfte. Zahllose Händler und Kunden, Bauern und Schausteller kamen von weither, knüpften Kontakte und schlossen Verträge ab.
In diesem gesellschaftlichen Schmelztiegel siedelte sich im Herbst 1881 ein Kaufmann an, der in der Kleinstadt Bleicherode, also in der preußischen Provinz Sachsen geboren worden war. Er hieß Leopold Scheyer und war 29 Jahre alt. Mit einem zwei Jahre jüngeren, aus Feuchtwangen im Königreich Bayern stammenden Freund namens Moritz Regensburger bezog er eine Wohnung an der Gördelingerstraße 4. Die Beiden wollten eine Firma gründen.
Am 4. Oktober gaben sie in einer Tageszeitung bekannt, dass sie „ein Leder-Geschäft en gros & en detail verbunden mit Lager sämtlicher Schuhmacher-Artikel eröffnet haben.“ Sie sicherten ihren Kunden „bei streng reeller Bedienung möglichst billige Preise“ zu. Die Adresse der Firma: Gördelingerstraße 48 – allerbeste Geschäftslage! Das stattliche Haus war 1751-1754 vom Braunschweiger Hofbaumeister Georg Christoph Sturm mit elf Fensterachsen, Mittelrisalit und Mansarddach entworfen und als Massivbau, nicht in Fachwerkbauweise, errichtet worden.
Leopold Scheyer war ein tüchtiger und erfolgreicher Kaufmann. Und er wollte eine Familie gründen. Am 26. Juni 1885 heiratete er in der Haupt- und Residenzstadt Kassel Henriette Katzenstein. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und Tochter eines Kaufmanns namens Eduard Katzenstein, tätig in einer Firma, die Eisenbahn-, Post- und andere Uniformen herstellte. Die Frischvermählten – beide waren jüdischen Glaubens – bezogen einen Monat nach ihrer Trauung eine Wohnung an der Friedrich Wilhelm Straße 9 in Braunschweig. 1886 wurde ihr Sohn Paul geboren, im Jahr darauf auch ihr Sohn Erich. Ihre Tochter Emmy kam 1889 an der Okerstraße 10 zur Welt.
Kurzbiografie
*Lederhandlung Scheyer & Regensburger*
1881 zog Leopold Scheyer, Emmy Vater, in die Gördelingerstraße und gründete hier im selben Jahr eine Lederwarenhandlung. Vier Jahre später mietete er nach seiner Heirat dann eine Wohnung im östlichen Ringgebiet.
Die Gördelingerstraße wurde schon im 13. Jahrhundert in Plänen der Stadt Braunschweig eingezeichnet. Sie lag im Bereich der Handelsmesse, die zweimal im Jahr stattfand. Im Lauf der Jahrhunderte siedelten sich kleine Läden und große Kaufhäuser an, Hotels, Gaststätten und andere Etablissements. Eine Filiale der Landespost kümmerte sich um Briefe und Pakete, Banken erledigten Geldgeschäfte. Zahllose Händler und Kunden, Bauern und Schausteller kamen von weither, knüpften Kontakte und schlossen Verträge ab.
In diesem gesellschaftlichen Schmelztiegel siedelte sich im Herbst 1881 ein Kaufmann an, der in der Kleinstadt Bleicherode, also in der preußischen Provinz Sachsen geboren worden war. Er hieß Leopold Scheyer und war 29 Jahre alt. Mit einem zwei Jahre jüngeren, aus Feuchtwangen im Königreich Bayern stammenden Freund namens Moritz Regensburger bezog er eine Wohnung an der Gördelingerstraße 4.
Die Beiden wollten eine Firma gründen. Am 4. Oktober gaben sie in einer Tageszeitung bekannt, dass sie „ein Leder-Geschäft en gros & en detail verbunden mit Lager sämtlicher Schuhmacher-Artikel eröffnet haben.“ Sie sicherten ihren Kunden „bei streng reeller Bedienung möglichst billige Preise“ zu. Die Adresse der Firma: Gördelingerstraße 48 – allerbeste Geschäftslage!
Das stattliche Haus war 1751-1754 vom Braunschweiger Hofbaumeister Georg Christoph Sturm mit elf Fensterachsen, Mittelrisalit und Mansarddach entworfen (siehe Entwurfszeichnung u.) und als Massivbau, nicht in Fachwerkbauweise, errichtet worden.
Leopold Scheyer war ein tüchtiger und erfolgreicher Kaufmann. Und er wollte eine Familie gründen. Am 26. Juni 1885 heiratete er in der Haupt- und Residenzstadt Kassel Henriette Katzenstein. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und Tochter eines Kaufmanns namens Eduard Katzenstein, tätig in einer Firma, die Eisenbahn-, Post- und andere Uniformen herstellte. Die Frischvermählten – beide waren jüdischen Glaubens – bezogen einen Monat nach ihrer Trauung eine Wohnung an der Friedrich-Wilhelm-Straße 9 in Braunschweig. 1886 wurde ihr Sohn Paul geboren, im Jahr darauf auch ihr Sohn Erich. Ihre Tochter Emmy kam 1889 an der Okerstraße (siehe 13) zur Welt.
*Jüdischer Friedhof, Grab von Leopold Scheyer*
Nur ein Familienmitglied der Scheyers ist auf dem jüdischen Friedhof in Braunschweig bestattet – der Vater Leopold.
Leopold Scheyers Erfolg mit der Produktion von Gemüse- und Früchtekonserven scheint beträchtlich gewesen zu sein. 1909 sah er die Gelegenheit zu einer Verlagerung seiner Firma W. Maseberg von der Wiesenstraße an die Goslarschestraße (siehe 5) außerhalb des Stadtzentrums. Er erwarb dort aus einer Liquidation eine alte Konservenfabrik mit einer geräumigen Unternehmervilla, maroden Fabrikgebäuden und bebaubaren Landreserven. Und verkaufte die Produktionsstätte Wiesenstraße an einen Konkurrenten.
Die Belastung, die diese Produktionsverlagerung mit sich brachte, mag der Grund gewesen sein, warum Leopold Scheyer kurz nach dem Umzug und dem zwanzigsten Geburtstag seiner geliebten Tochter Emmy erkrankte. Am 20. April 1909 starb er auf einer Geschäftsreise. Die Todesanzeige, die die Familie in die Zeitung setzen ließ, lautete: „Nach kurzem schwerem Leiden entschlief sanft unser innig geliebter Gatte, Vater, Bruder, Schwager und Onkel Leopold Scheyer im 57. Lebensjahr“.
Leopold Scheyer wurde am 23. April auf Braunschweigs jüdischem Friedhof an der Hamburger Straße bestattet. Die Eulogie auf der Rückseite seines Grabsteins lautet: „Hier ruht ein guter, redlicher und gerechter Mann. Herr Leopold Scheyer wurde hier beerdigt, nachdem er plötzlich erkrankte und am Neumondstag von Ijar 5669 in Berlin verstarb.“ Über die Trauer seiner Angehörigen ist nichts bekannt. Um
dem Verkehr auf der Hamburger Straße mehr Platz zu verschaffen, wurde der bis 1910 genutzte jüdische Friedhof 1939 verkleinert. Ein etwa 15 m breiter Streifen entlang der Straße, auf dem sich u.a. auch eine Leichenhalle befand, musste von der jüdischen Gemeinde abgetreten werden. Im Gegenzug sorgte die Stadt für eine neue Einfriedung und für die Umbettung der betroffenen Grabstellen auf den neuen jüdischen Friedhof an der Helmstedter Straße, der 1895 eingeweiht worden war. Henriette Scheyer lebte zu diesem Zeitpunkt als Einzige der Familie noch in Deutschland, an der Besselstraße. Sie starb am 24. Februar 1941 im Jüdischen Altersheim Hannover.
Auf dem Friedhof findet sich auch ein Ehrengrab für den Braunschweiger Maler Albert Hamburger (1893-1915). Er fiel am 22. Januar 1915 bei Carency in Nordfrankreich. Im gleichen Jahr, am 8. August, starb auch sein Bruder Hermann bei Krasnoslan an der Ostfront. Beide Opfer des Ersten Weltkrieges erhielten Ehrengräber auf dem Jüdischen Friedhof an der Helmstedter Straße.
Quellennachweis:
Galka-Scheyer-Atlas
K. Keßler und G. Holzgang, „Galka Scheyer in Braunschweig Auf Spuren der jüdischen Kunstvermittlerin“. Bet Tfila - Forschungsstelle für Jüdische Architektur in Europa, Braunschweig, 2021. GBV
Autorenschaft:
K. Keßler; G. Holzgang
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