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Rede zu den nationalsozialistischen Novemberpogromen 1938 von Falko Mohrs, dem Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur, anlässlich der Gedenkveranstaltung des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen in Lüneburg 2023

Es fällt noch schwerer als sonst, in diesen Tagen über Pogrome an Jüdinnen und Juden zu sprechen. Kaum in Worte zu kleiden ist das Entsetzen, die Trauer und auch die Wut, die jeden erfassen müssen, der in den letzten Wochen die Nachrichten verfolgt hat.

Am 9. November 1938 initiierte die nationalsozialistische Führung in Deutschland ein Verfolgungsexzess, der unter der Regie der NSDAP, SS und SA eine Entwürdigung des Menschlichen zum Ziel hatte. Dem brutalen Treiben schlossen sich Männer wie Frauen, sogar Jugendliche an. Viele schauten zu, denunzierten, zu viele schauten weg. Der Mob demütigte, misshandelte, tötete jüdische Menschen oder trieb sie in den Selbstmord.

Die Novemberpogrome machten deutlich, wie schutzlos Jüdinnen und Juden in der immer feindlicher werdenden Gesellschaft lebten. Der heutige Schutzraum, der Israel dem jüdischen Volk bietet, ist in bisher nie dagewesener Weise angegriffen worden. Der Hass und die Gewalt, die totale Entgrenzung barbarischer Mordtaten ist für die jüdische Weltgemeinde mit unendlichen Leid verbunden. Es zeigt auch, dass das Mantra des „Nie wieder“ zur hohlen Phrase verkommt, wenn man gleichzeitig verdrängt, dass es weiterhin Massenbewegungen gibt, die das jüdische Volk ausrotten wollen. Die eine Vernichtung proklamieren. Am 9. November muss man es noch viel lauter bekunden als sonst: Deutschland trägt von allen Nationen der Erde die größte Verantwortung für die Sicherheit und Freiheit Israels.

1938 konnten die deutschen Juden sich nicht gegen den Hass und die Gewalt wehren, die ihnen von ihren Nachbarn entgegengeschleudert wurden. Von den Novemberpogromen führt ein erschreckend kurzer Weg nach Auschwitz. Daraus hat Israel den Schluss gezogen, um keinen Preis je wieder zuzulassen, dass Juden wehrlos ihren Mördern ausgeliefert sind. Gerade deshalb ist der größte Judenmord seit 1945 eine so grauenvolle Zäsur in der Geschichte des jüdischen Staates. Israel wehrt sich jetzt schon mit allem, was dafür nötig erscheint. Und es wird erst damit aufhören, wenn sich Szenen wie am 9. November 1938 oder am 7. Oktober 2023 nicht mehr ereignen können. Auf dem Weg dahin wird die Welt grausame Bilder zu sehen bekommen. Sie werden benutzt werden, um Israel als Aggressor darzustellen und so die wahren Verhältnisse in ihr Gegenteil zu verkehren. Dann wird es auf die Haltung jedes Einzelnen von uns ankommen! Stehen wir zu unserer Verantwortung für Israel?

Sind wir bereit, dafür auch Opfer zu bringen? Oder wollen wir uns davonstehlen, indem wir uns feige und bequem in eine Position der „Äquidistanz“ zurückziehen? So wie diejenigen, die 1938 wegschauten, zuschauten?
Meine große Hoffnung ist, dass der Terror seit dem 7. Oktober auch die aufgeweckt hat, die bisher die Augen vor dem Vernichtungswillen der Feinde Israels verschlossen haben.
Lassen Sie uns heute der Opfer des 7. Oktober ebenso gedenken wie den Opfern des Naziterrors vor 85 Jahren!


Möge ihr Andenken ein Segen sein!