Yevgen Bruckmann

Seit dem 7. Oktober sehe ich in akademischen und vermeintlichen progressiven Räumen beim Abgleiten in den totalen judenfeindlichen Wahn zu. Mal wieder sehen wir, wie die größte Gefahr für unser Leib und Leben durch intellektuelle Schreibtischtäter betrieben wird, Hand in Hand mit Islamisten und anderen Faschisten. Seit Jahren beteilige ich mich professionell und ehrenamtlich am Kampf gegen Antisemitismus und noch nie war die Immunität dieses Jahrtausende alten Hasses gegen rationale Argumente so offensichtlich wie jetzt.
Wenn an Universitäten, den Orten der Forschung und des Denkens, die Rufe zur Auslöschung des jüdischen Volkes genauso laut ertönen, wie auf den Versammlungen von Neonazis und Klerikalfaschisten, sollten überall die Alarmglocken läuten! Aber die Alarmglocken läuten gefühlt nur bei uns selbst, und das Schweigen der Anderen ist dabei das, was am meisten weh tut.
Im Hass auf Israel und in der Auslöschung alles Jüdischen sehen immer mehr Leute die Erlösung von allem Schlechten und schreien gemeinsam „One Solution: Intifada Revolution“. Jeden Tag wird der Hass offener und gewalttätiger. Uns selbst bleibt dann irgendwann nur die Selbstorganisation und der Selbstschutz. Ich habe keine Lust, mich zu verstecken.
Ich, wir haben das Recht zu existieren! Ich werde weiterhin für eine freie Gesellschaft für uns alle, für uns Jüd*innen kämpfen. Doch wir brauchen den Support der anderen. Wir müssen sehen und spüren, dass wir diesen Kampf nicht alleine kämpfen. Sonst sehe ich für uns alle, die nicht in das Bild der Rechten und Islamisten passen, eine düstere Zukunft.
Yevgen Bruckmann ist stellvertretender Vorsitzender der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover. Er arbeitet als Bildungsreferent in der antisemitismuskritischen Bildung sowie der Erinnerungs- und Gedenkarbeit.